Dienstag, 12. April 2016

Lebenszeichen

Seit meinem letzten Beitrag sind einige Monate ins Land gegangen. Ich habe Weihnachten und Ostern mit den Verwandten meiner Lebensgefährtin überlebt - und gehe weiter durch meine Ups und Downs. Meine Therapie ist abgeschlossen und auch wenn nicht alles total super ist, so bin ich doch generell etwas freier und sicherer geworden.

Zu Neujahr hatte ich schon mal gesammelt und getwittert, was im letzten Jahr alles besser geworden ist, anstatt mir Vorsätze für das neue Jahr zu machen: Ich kann wieder völlig problemlos einkaufen gehen, finde Menschenmengen einigermaßen erträglich und gehe in regelmäßigen Abständen wieder auf Konzerte (Metal, was sonst?). Generell kann ich mich wieder freier unter Menschen bewegen und fühle mich nicht mehr extrem beobachtet. Das Gefühl "Ja, dann kuckste halt" bzw. "vll kuckt die Person in meine Richtung, aber gar nicht mich an" kehrt langsam zurück. 

Ich gehe auch wieder regelmäßig arbeiten (bin momentan selbstständig), was mir auch ein Gefühl der Kompetenz gibt und mir Ängste nimmt (auch wenn immer noch genügend Trigger vorhanden sind und ich auch oft gestresst bin).
Ich mache Fortschritte beim Yoga und bei der Meditation, auch wenn ich zwischendurch immer mal wieder leicht depressive Phasen habe, in denen ich gar nichts in der Richtung mache. Allerdings merke ich sofort, dass mir das gar nicht gut tut. Mein Gehirn neigt immer noch zum Grübeln, zur Melancholie, zum negativen Zerdenken - aber es ist schon viel besser geworden.

Zwischenzeitlich konnte meine Urtikaria eingedämmt werden und ich habe eine Hyposensibilisierung gegen Milben begonnen. Sicherlich hat auch mein allergiegeplagter Körper immer wieder Energie gesaugt, dazu kam dann wochenlange Schlaflosigkeit durch den Juckreiz etc. - ein gefundenes Fressen für depressive Verstimmungen: Schlafmangel etc. verstärkt das bei mir ungemein.

Generell habe ich wieder mehr Energie für Arbeit, Sport, Haushalt, Kochen - und endlich auch wieder für die vielen Bücher und Lesetipps/Blogs (sowohl spirituell/Asatru wie auch allgemein über alles, was mit queer/transgender zu tun hat bzw. von queers geschrieben worden ist). Auch in meiner Twitter-Filterbubble fühle ich mich wohl und bin froh, andere queers gefunden zu haben, die ähnliche Probleme/Gefühle/Gedanken haben - da fühlt eins sich gleich nicht mehr so allein. Es ist toll, sich austauschen und vielleicht auch voneinander lernen zu können.

Es tut mir sehr gut, in diesen kleinen Schritten voranzukommen und einfach zu leben und dabei an mich nicht mehr die Anforderung zu stellen perfekt sein zu müssen. Ich bin froh, wieder kleine Freuden im Hier und Jetzt genießen zu können und nicht mehr permanent an Selbstmord zu denken. Momentan lese ich "Hello Cruel World: 101 Alternatives to Suicide for Teens, Freaks, and Other Outlaws" von Kate Bornstein. Ich mag die Ehrlichkeit und Herangehensweise der Autor*in und mir hilft die Erkenntnis, dass andere sich auch Mit Selbstmordgedanken irgendwie durchs Leben hangeln, trotzdem noch da sind und es nie zu spät ist zu lernen, was einem*r Lebensfreude bereitet. Das macht mir Mut, dass ich mir selbst wieder auf die Spur komme.